Ihr "GÄUBOTE"-Team
Martin Kochs Bemerkung zu diesem Artikel:Ausstellung Reusten
Eine Wanderin zwischen mehreren Welten
Reusten: Anna Arlamova stellt ihre fantasievollen und von der Literatur inspirierten Werke aus
Der sozialistische Realismus war nie die Sache der im sibirischen Altai geborenen freischaffenden
Malerin und Kunstdozentin Anna Arlamova. Die Absolventin der Kunstakademie im ukrainischen
Lemberg ging in Sachen Kunst ihre eigenen Wege. Die in Tübingen lebende Künstlerin hat ihr
Handwerk von der Pike auf gelernt. Das setzt sie frei, innovativ und fantasievoll ein. So taucht man im
Reustener Bergcafé in ganz eigene teils magische Welten ein.
Rüdiger Schwarz. Aus den Bildern der Leiterin der integrativen Kunst- und Kulturwerkstatt für
Kinder und Jugendliche in Tübingen weht den Betrachter viel russische Seele an. Nicht nur aus
deren melancholischen, sehnsuchtsvoll romantischen und sakral mystischen Tiefen schöpfen diese
Malereien. Sie zeigen sich nur allzu oft von der russischen Literatur inspiriert. Ja, sind gleichsam eine
Hommage an jene. Auf einer Trilogie gleicht der russische Nationaldichter Alexander Sergejewitsch
Puschkin einem jungen Apoll. Mit seiner wilden Lockenpracht nebst der ephebenhaft erotischen
Aura, die ihn umgibt, scheint er einem der Werke Thomas Manns entstiegen zu sein. Mal wirft er
einem einen leicht wehmütigen Blick zu. Mal zeigt ihn die Künstlerin in sehnsuchtsvoll verträumter
Manier über seinem Schreibtisch lehnen.
Anna Arlamova nimmt nicht nur auf sehr poetische Art und Weise Gefühl und Geist Puschkinscher
Dichtung auf, sondern erzählt zugleich aus seinem Leben. Die drei gezeigten Bilder aus der
Serie "Mein Puschkin" sind mehr als "nur" Porträts. Wie in einigen der ausgestellten Werke vermischt
die versierte Künstlerin Malerei, Zeichnung und Druckgrafik in ganz einzigartiger und originärer
Manier.
In Landschaftsimpressionen vermengt sich Naturalismus mit einem surreal wirkenden mystisch-
magischen Farb- und Lichtzauber. Mal schaut man durch ein Gewirr leicht verfremdeter Birken
auf eine orthodoxe Klosteranlage. Das andere Mal geben sie den Blick auf einen klassizistisch
gehaltenen Landsitz frei. In der ersten Szenerie glüht und schimmert der Horizont unter einem
Wetterleuchten in orangefarbigen und gelben Farbklängen. Durch die andere tanzt und rieselt
ein sanftes Schneegestöber nieder. Der adelige Landsitz ist den Schauplätzen der Dramen Anton
Tschechows nachempfunden. Dass Winterstimmung herrscht, kann als Wink auf den Niedergang
des russischen Adels vor dem Heraufziehen der Oktoberrevolution genommen werden. Eine der
Hauptthematiken des Dramatikers.
Im Sog Hermann Hesses
Synthese, Universalsprache, Ritus und Sakralität - der Betrachter wird mitten in den geheimnisvollen
Sog von Hermann Hesses Alterswerk Glasperlenspiel hineingezogen. Über eine komplexe
Maltechnik fängt Arlamova die Stimmung und gleichsam die Quintessenz des Romans ein.
Fromm und engelsgleich scheint das Gesicht des Schriftstellers selbst auf. Die lyrisch abstrakten
Farben und Flächen sind ein einziges kathedralenhaftes Lichtspiel. Postsurrealistische und
zugleich tief empfindsame Welten tun sich über die Bilder "Metamorphose" und "Begegnung"
auf. Mal in Acrylfarben, mal über einen Materialmix mit Reliefeffekten verschwimmen die
Grenzen zwischen Realität und märchenhaft anmutenden Traumwelten. Vögel in Magritte-
manier und ein Seerosenteich aus Äpfeln greifen zwei immer wiederkehrende Symbollinien auf.
Desgleichen geht es sobald bei einer kleinen Pferdeherde und einem Einhorn um die Achtung vor
allem Schöpferischen. Ob nun der geistigen Innenwelten oder der Natur. Eine ganze Serie von
Tuschefederzeichnungen erzählt literarische oder eigene Geschichten. Es sind Illustrationen zu
Michail Bulgakows "Der Meister und Margarita", Goethes Ballade vom "Erlkönig" oder Arlamovas
Kindheitserinnerungen "Aufgespießte Schmetterlinge". Ein warmes Stillleben in Acrylöltechnik
lädt über einen Samowar, russisches Kringelgebäck und Brauttuch nebst Äpfeln und Zitrone
zur Teestunde ein. Anna Arlamova hat noch eine Wohnung im ukrainischen Krementschug. Die
Kosmopolitin organisierte zuletzt einen Studenten- und Künstleraustausch zwischen Tübingen und
ihrer einstigen Wirkungsstätte als Leiterin der staatlichen Kunstschule.
Die Bilder aus dem umfangreichen Oeuvre von Anna Arlamova sind noch bis Mitte März im Bergcafé
in Reusten zu sehen.
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